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Zur Bindungswirkung eines BNetzA-Leitfadens

Sachverhalt: Die Antragstellerin bezog in den Jahren 2004 bis 2009 aus dem Netz der Beteiligten elektrische Energie für den eigenen Verbrauch. Im Mai 2012 ließ sie auf der Grundlage der Verbrauchs- und Kapazitätswerte und der von der Beteiligten bei der Berechnung des physikalischen Pfads angesetzten Kosten die individuellen Netzentgelte für den Zeitraum vom 1. August 2005 bis zum 31. Dezember 2009 ermitteln, die deutlich unter den allgemeinen Netzentgelten lagen. Im September 2005 begehrte die Antragstellerin von der Beteiligten erfolglos den Abschluss einer individuellen Netzentgeltvereinbarung. Daraufhin beantragte die Antragstellerin im Februar 2006 bei der Bundesnetzagentur die Genehmigung eines individuellen Netzentgelts nach § 19 Abs. 2 Satz 2 StromNEV. Mit Beschluss vom 13. Juli 2010 lehnte die Bundesnetzagentur den Antrag mit der Begründung ab, dass die Antragstellerin keine Vereinbarung über ein individuelles Netzentgelt vorgelegt habe und im Übrigen der Antrag nicht genehmigungsfähig gewesen wäre, weil sich nach den Berechnungen der Beteiligten keine Netzentgeltsenkung ergeben habe. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Beschwerdegericht zurückgewiesen. Daraufhin stellte die Antragstellerin bei der Bundesnetzagentur im Dezember 2013 den Antrag, das Verhalten der Beteiligten in einem besonderen Missbrauchsverfahren zu überprüfen. Mit Beschluss vom 14. Juli 2015 lehnte die Bundesnetzagentur den Antrag als unbegründet ab. Das Beschwerdegericht hat dem Hauptantrag stattgegeben. Hiergegen wendet sich die Bundesnetzagentur mit der - vom Beschwerdegericht zugelassenen - Rechtsbeschwerde.

Ergebnis: Teilweise Erfolgreich.

Begründung: Die Rechtsbeschwerde hat teilweise Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses des Beschwerdegerichts in erster Instanz und zur Verpflichtung der Bundesnetzagentur zur Neubescheidung der Antragstellerin. Nach dem Wortlaut des § 31 Abs. 1 Satz 1 EnWG müssen die Interessen der Antragsberechtigten erheblich berührt sein. § 31 Abs. 1 Satz 1 gibt den Betroffenen das - subjektive - Recht, einen Antrag auf Überprüfung des Verhaltens eines Netzbetreibers bei der Regulierungsbehörde zu stellen. Die Bundesnetzagentur habe den Erlass der begehrten Missbrauchsverfügung zu Unrecht abgelehnt. Der Missbrauchsantrag sei zulässig. Die Entscheidung der Bundesnetzagentur hinsichtlich der gesetzlichen und verordnungsrechtlichen Vorgaben wie auch der Feststellung der tatsächlichen Grundlagen unterliege der uneingeschränkten Überprüfung durch den Tatrichter. Der Behörde komme aber ein Beurteilungsspielraum zu, soweit die Ausfüllung dieser gesetzlichen Vorgaben in einzelnen Beziehungen eine komplexe Prüfung und Bewertung einer Reihe von Fragen erfordert, die nicht exakt im Sinne von "richtig oder falsch" beantwortet werden können. Diesen Maßgaben würden der - für den streitgegenständlichen Zeitraum einschlägige - Leitfaden 2009 und damit auch die Berechnungen der Beteiligten und der Bundesnetzagentur nicht gerecht. Bei dem Leitfaden handele es sich nicht um eine Festlegung i.S.d. § 29 Abs. 1 EnWG i.V.m. § 30 Abs. 2 Nr. 7 StromNEV, sondern um Verwaltungsvorschriften mit materiell-rechtlichem Inhalt (vgl. Senatsbeschluss vom 14. August 2008 - KVR 42/07, WuW/E DE-R 2395 Rn. 21 - Rheinhessische Energie I), die grundsätzlich Gegenstand, nicht jedoch Maßstab richterlicher Kontrolle seien. Er sei damit in dem oben beschriebenen Rahmen gerichtlich überprüfbar und entfalte nicht die Bindungswirkung einer bestandskräftigen Festlegung.

Datum
Gericht
Instanz
Aktenzeichen

EnVR 12/17

Gesetzesbezug
Vorinstanz(en)

OLG Düsseldorf, B. v. 18.01.2017 - VI-3 Kart 148/15 (V)