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OVG Mecklenburg-Vorpommern: Öffentliche Interesse im Sinne v. § 2 EEG im Hinblick auf den Denkmalschutz

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EEG: 

Leitsätze:


1. Da das Landesamt für Kultur und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern (LAKD) im Beteiligungsverfahren nach § 10 Abs. 5 Satz 1 BImSchG hinreichend Gelegenheit zur denkmalfachlichen Stellungnahme hat und das gerichtliche Verfahren nicht dazu dienen kann, die Konzentrationswirkung des § 13 BImSchG gewissermaßen „umzukehren“, kommt eine einfache Beiladung des LAKD nach § 65 Abs. 1 VwGO nicht in Betracht.

2. Die Verpflichtung des Gerichts, die Spruchreife herzustellen, entfällt u. a. in den Fällen eines sogenannten „steckengebliebenen" Genehmigungsverfahrens, wenn ansonsten im Verwaltungsverfahren noch nicht behandelte komplexe Fragen erstmals im gerichtlichen Verfahren geprüft werden müssten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung im Allgemeinen nicht ohne zahlreiche Nebenbestimmungen (Auflagen, Bedingungen usw.) erteilt wird.

3. In verwaltungsgerichtlichen Verfahren, die auf Erlass einer Entscheidung in einem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren gerichtet sind, wird die Sperrfrist des § 75 Satz 2 VwGO durch die Entscheidungsfrist des § 10 Abs. 6a BImSchG modifiziert.

4. Die Frist des § 10 Abs. 6a Satz 1 BImSchG wird mit dem Zeitpunkt der hier spätestens mit Beginn der Behördenbeteiligung schlüssig erfolgten Bestätigung der vollständigen Einreichung der Unterlagen auch dann ausgelöst, wenn sich im Laufe des weiteren Verfahrens herausstellt, dass noch weitere Unterlagen benötigt werden.

5. Die immissionsschutzrechtliche Genehmigungsbehörde ist ebenso wie das Gericht in materieller Hinsicht nicht an die fachliche Beurteilung der Denkmalschutzbehörden und insbesondere des Landesamts gebunden. Genehmigungsbehörde und Gericht haben die Beurteilung des Landesamts hinsichtlich ihrer Aussage- und Überzeugungskraft nachvollziehend zu überprüfen und sich aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens eine eigene Überzeugung zu bilden.

6. Das Gebot des § 24 Abs. 1 Satz 1 VwVfG M-V, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären, verwehrt es der Behörde nicht, für ihre tatsächlichen Feststellungen auch das Vorbringen eines Beteiligten zu verwerten, soweit es ihr überzeugend erscheint und nicht durch anderweitiges Beteiligtenvorbringen oder sonst schlüssig in Frage gestellt ist. Dies gilt auch für von einem Beteiligten vorgelegte Gutachten oder gutachterliche Stellungnahmen.

7. Die formellen landesrechtlichen Vorschriften wie § 7 Abs. 6 DSchG M-V werden von § 13 BImSchG verdrängt und finden im konzentrierten Verfahren keine Anwendung. Folglich bedarf es keiner Erteilung des Einvernehmens des LAKD nach § 7 Abs. 6 Satz 2 DSchG M-V und auch die zuständige oberste Landesbehörde hat keine abschließende Entscheidung über ein solches Einvernehmen zu treffen, § 7 Abs. 6 Satz 3 DSchG M-V.

8. Das Gewicht des für die Maßnahme nach § 7 Abs. 3 Nr. 2 DSchG M-V einzustellenden öffentlichen Interesses hat der Bundesgesetzgeber mit § 2 Satz 2 EEG für Abwägungsprozesse „voreingestellt“.

9. Die Regelungen in § 2 EEG finden auch für die Genehmigung einzelner Windenergieanlagen Anwendung. Es liegt auf der Hand, dass das gesetzgeberische Anliegen, „Sofortmaßnahmen“ für einen „beschleunigten“ Ausbau der erneuerbaren Energien nur dann greifen kann, wenn die Regelungen des § 2 EEG auf der Ebene der Einzelfallgenehmigung zum Tragen kommen und nicht nur als eine Art Programmsatz für die Exekutive missverstanden werden.

10. § 2 Satz 2 EEG ist dabei als sog. Sollbestimmung dahingehend zu verstehen, dass sich in den einzelnen Schutzgüterabwägungen ein regelmäßiges Übergewicht der Erneuerbaren Energien in dem Sinne ergibt, dass das überragende öffentliche Interesse an der Errichtung von Windenergieanlagen sowie das öffentliche Sicherheitsinteresse nur in atypischen Ausnahmefällen überwunden werden können, die fachlich anhand der besonderen Umstände der jeweiligen Situation zu begründen wären.

Datum
Instanz
Aktenzeichen

5 K 171/22