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Zur vorzeitigen Besitzeinweisung bei für einen Windpark benötigten Grundstücken

Amtliche Leitsätze:
  1. Eine vorzeitige Besitzeinweisung setzt voraus, dass sie für ein Vorhaben erfolgt, für das enteignet werden kann. Sie darf daher nur ergehen, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass dem Enteignungsantrag entsprochen wird.
  2. Als Rechtsgrundlage einer Enteignung von Grundstücken, die für einen Windpark benötigt werden, kommt u.a. § 45 Abs. 1 Nr. 2 EnWG (v. 7.7.2005) in Betracht. Danach ist eine Enteignung zulässig, soweit sie zur Durchführung eines „sonstigen Vorhabens zum Zwecke der Energieversorgung“ erforderlich ist.
  3. Ein Vorhaben ist dann energiewirtschaftlich erforderlich, wenn es eine vorhandene gegenwärtige oder jedenfalls in absehbarer Zeit entstehende Versorgungslücke schließen soll oder wenn es der Versorgungssicherheit dient. Allein aus den Zielsetzungen des EEG (Erneuerbare Energien Gesetz) lässt sich die energiewirtschaftliche Erforderlichkeit eines Vorhabens aber nicht ableiten; Insbesondere lässt sich allein aus diesem Gesetz kein Rückschluss darauf ziehen, der Gesetzgeber habe mit diesem Gesetz einen erleichterten Zugriff auf fremdes Grundeigentum Rechnung tragen wollen. Will der Gesetzgeber für bestimmte Vorhaben eine Enteignung zu Gunsten privatrechtlich organisierter Energieversorgungsunternehmen zulassen, muss er – im Hinblick auf den von Art. 14 Abs. 3 GG geforderten qualifizierten Enteignungszweck – im Einzelnen festlegen, für welche Vorhaben unter welchen Voraussetzungen und für welche Zwecke eine Enteignung zulässig ist. Das gilt erst recht, wenn für bestimmte Vorhaben der Zugriff auf fremdes Grundeigentum unter erleichterten Voraussetzungen für zulässig erklärt werden soll.
  4. § 45 Abs. 1 EnWG lässt keinen Raum für die Annahme, dass bei der Feststellung der energiewirtschaftlichen Erforderlichkeit für Vorhaben aus dem Bereich der Erneuerbaren Energien andere Maßstäbe gelten als für sonstige Vorhaben der Energieversorgung.
  5. Ist eine Enteignung grundsätzlich zulässig, so müssen weiter für eine vorläufige Besitzeinweisung (des Vorhabenträgers in die benötigten Grundstücke) die Voraussetzungen nach § 37 Abs. 1 Satz 1 ThürEG vorliegen, das bedeutet, die vorläufige Besitzeinweisung muss aus „Gründen des Allgemeinwohls“ geboten sein. Das ist dann der Fall, wenn es nicht hingenommen werden kann, dass mit der Ausführung bis zum Abschluss des Enteignungsverfahrens gewartet werden muss, also bei Abwägung der Belange der Allgemeinheit und der des Betroffenen die vorzeitige Besitzeinweisung unumgänglich erscheint, um die Gesamtheit der Bürger (bzw. eine Vielzahl von Personen) gegen wesentliche Nachteile zu schützen oder ihnen wesentliche Vorteile zu erhalten, die verloren gingen, wenn die Maßnahme zu einem späteren Zeitpunkt ausgeführt werden würde.
Datum
Gericht
Instanz
Aktenzeichen
Bl U 687/08
Gesetzesbezug
Vorinstanz(en)
LG Meiningen, Urt. v. 23.07.2008 - BLK O 8/07